Jestetter
@rchiv
August 1914 - Der lange Marsch des Musketiers August Schlude
Der Jestetter August
Schlude (1882 - 1960) leistete seinen Wehrdienst in der
Jahren 1902 bis 1904 beim 6.
Badischen Infanterie-Regiment Kaiser Friedrich III. No.
114 in Konstanz ab. August Schlude war somit - wie
etliche andere Jestetter auch - ein "114er". Wie sein
Militärpass aussagt, war August Schlude Musketier, er
erhielt Ausbildung als Pferdepfleger und am Gewehr 88. In
den Jahren 1907 und 1910 wurde er für 28 bzw. 14 Tage zu
Übungen eingezogen und unter anderem am Gewehr 98
ausgebildet.
Laut Eintrag im Militärpass wurde August Schlude am 5.
August 1914 eingezogen und geriet als Angehöriger des
Landwehr Infanterie-Regiments (L.I.R.) No. 110 am 20. August
1914 in französische Kriegsgefangenschaft. Der Militärpass
macht keine Angaben, was zwischen dem 5. und dem 20. August
1914 passiert ist; interessanterweise gibt es an anderer
Stelle eine Beschreibung der Vorgänge.
In seinem Buch "Totentanz auf dem Hartmannsweiler Kopf
1914-1917" berichtet Hans Killian auch über seine Erlebnisse
im August 1914 in der Gegend am Oberrhein. Zur von Killian
erwähnten Brigade Mathy
gehörte auch das L.I.R. 110 August Schludes. Aus den
Beschreibungen Killians wird klar, welche Märsche die
Soldaten der Brigade und damit der einfache Musketier August
Schlude in der Augusthitze gemacht haben. Am 13. August
marschierte die Brigade vom rechtsrheinischen Efringen über
den Rhein nach Mülhausen (Mulhouse). Am Folgetag wurden
Verteidigungsstellungen bezogen und vergeblich auf den
herannahenden Feind gewartet. Es kam zu keiner
Feindberührung, aber da weit überlegene feindliche Truppen
gemeldet worden waren, zog sich die Brigade wieder auf
rechtsrheinisches Gebiet zurück. Am 18. August marschierte
die Brigade erneut gen Mülhausen, wo es am 19. August zur
Schlacht und zur Gefangennahme von August Schlude kam. |
 |
Der Musketier August Schlude. Die
Schulterklappen zeigen das Regimentsabzeichen des 6.
Badischen Infanterie-Regiments Kaiser Friedrich III.
No. 114 |
|
Auszüge aus den Ausführungen Hans Killians
12. August:
Nach stundenlangem Marsch treffen
wir bei Efringen vor der Feste Istein ein. Es wird haltgemacht und
Massenquartier bezogen. Geradezu fürchterlich ist dieses Dorf
überfüllt. Todmüde sinken die Infanteristen um und liegen in der
sommerlichen Hitze über- und nebeneinander. Wer bei dieser Hitze
und Schnakenplage schlafen kann, hat es gut.
13. August:
Im Morgengrauen wecken die
Trompeten. Bald sieht man die Bataillone sich sammeln, der
Marschbefehl wird erteilt, und nun zieht die Brigade Mathy in
geschlossener Kriegsordnung im Morgennebel hinab zu der neuen bei
Istein geschlagenen Pontonbrücke über den Rhein, durch den
jenseitigen Brückenkopf in Richtung Mülhausen. ...
Der Weg führt über Kembs mitten durch den endlosen Hardtwald nach
Habsheim. ...
Die Leute leiden auf dem Marsch stark durch die Hitze. Die
Landwehrmänner sind nicht einmarschiert, viele haben dicke Bäuche
und lange Bärte. Sie schwitzen und keuchen dahin. ...
Wir bekommen Befehl, zum Quartiermachen nach Mülhausen
vorauszureiten. ... In den Abendstunden tauchen unsere ersten
Kolonnen am Stadtrand auf.
14. August:
Am 13. 8. um Mitternacht wird
plötzlich alarmiert. Man hat Nachricht erhalten, der Gegner habe
habe kehrtgemacht und sei wieder im Vorgehen. Deshalb setzt sich
am 14. 8. um 3 Uhr die Brigade Mathy in Bewegung. Wir marschieren
mit allen Sicherungen durch Dornach in Richtung Heimsbrunn. Der
General läßt seine Truppe eine Abwehrstellung in der Linie
Heimsbrunn-Illfurt einnehmen. ...
Da alle das Herannahen der französischen Truppen erhoffen, suchen
wir stundenlang mit ungeheuerem Eifer jeden Busch und Baum nach
dem ersten Feind ab, aber nichts zeigt sich. Was ist doch dieser
Krieg langweilig, denke ich. ...
Nunmehr ist unsere Verteidigungslinie zu lang, und deshalb
entschließt sich General Mathy zum Stellungswechsel nach rückwärts
und zur Konzentration seiner Kräfte. Eine schmälere
Verteidigungslinie zwischen Niedermorschweiler und Hochstatt wird
eingenommen. ...
Dann allerdings scheint es aufgrund neuer Meldungen, daß der Feind
mit weit überlegenen Kräften langsam vordringt. Deshalb muß
befehlsgemäß Exzellenz Mathy den Abmarschbefehl geben. Also
formiert sich am späten Nachmittag die ganze Brigade, und wir
tippeln schwer enttäuscht durch Mülhausen, durch den endlosen
Hardtwald in Richtung Neuenburg zurück. Natürlich versteht keiner
von uns dieses Manöver.
17. August:
Die Brigade erhält einen
Vormarschbefehl für den 18. 8. - Sie soll diesmal über
Eichwald-Ottmarsheim wieder durch den Hardtwald, und wiederum über
Habsheim, diesmal in die Gegend von
Dietweiler-Eschenzweiler-Zimmersheim südöstlich von Mülhausen
vormarschieren und den Schoffberg besetzen.
18. August:
Also marschieren wir zum zweitenmal
am 18. 8. des Morgens über den Rhein, durchqueren den verhaßten
Hardtwald auf seinen langen, schnurgeraden Schneisen zwischen
ausgedörrtem Gestrüpp. ... Zu einer Feindberührung kommt es nicht.
Der Schoffberg wird kampflos besetzt.
19. August:
6.30 Uhr tritt die Truppe an. In
gefechtsmäßiger Aufstellung marschiert die Kolonne unserer Brigade
bei stimmungsvollem Morgen und schönstem Wetter über den
Schoffberg. Wir passieren auf dem Weg Eschenzweiler und
Zimmersheim. Nun geht es durch eine Art Hohlweg hinab zur Stadt
Mülhausen. ...
Man weiß nicht, ob Mülhausen vom Feind besetzt ist, und deshalb
läßt der General vor dem Einmarsch in die Stadt die Kinnketten der
Helme herunternehmen und das Bajonett aufpflanzen. ...
Da, plötzlich, es ist 9.45 Uhr, hallen peitschende
Infanterieschüsse vom Ortsrand her und einige Kugeln pfeifen über
unsere Köpfe hinweg. Noch keine Minute vergeht, es entwickelt sich
vorne ein lebhaftes Infanteriegefecht. ...
Folgen
- Die deutsche Seite hatte in dieser Schlacht bei Mülhausen
schwere Verluste erlitten, Killian beschreibt dies so: "Es stand
am Abend des 19. 8. schlecht um uns." Trotzdem verwendet Killian
den Ausdruck "ein Ehrentag der deutschen Landwehr", weil
überlegenen französichen Einheiten Paroli geboten werden konnte.
Die Stadt Mülhausen blieb in französischem Besitz, aber wegen
des deutschen Fortschritts an anderen Stellen der Front zogen
die französischen Truppen in der Nacht vom 25. auf 26.8. aus
Mülhausen ab.
- August Schlude war bis zum 19.7.1918 in Gefangenschaft und kam
am 20.7.1918 durch Austausch wieder frei. Am 21.11.1918 wurde er
"Infolge Demobilmachung aus dem Heeresdienst" entlassen.
Weiterführende Literatur
Hans Killian:
Totentanz auf dem Hartmannsweiler
Kopf 1914-1917
Kurt Vowinckel Verlag, 1971
S 28 - 50
Konrad August Schlude